Audi TT – eine Ikone verabschiedet sich
Nach 25 Jahren endet in Győr eine Ära – und damit zugleich ein Kapitel des modernen Automobilbaus: Die Produktion des Audi TT wird eingestellt. Mehr als 660.000 Einheiten dieses ikonischen Modells hat Audi Hungaria gefertigt; Fahrzeuge, die das Image der Marke und den Ruf des Győrer Unternehmens in jeden Winkel der Welt getragen haben: von Japan bis in die Vereinigten Staaten. Natürlich, niemand ist unersetzlich. Doch in der Geschichte des Automobilbaus wird es nach unserer Ansicht so ein einzigartiges Modell nicht mehr geben. Schauen wir uns die großen Momente dieses automobilen „Hungaricums“ an – und erfahren, was es für Mitarbeitende bei Audi Hungaria bedeutet, die sein Auto-Leben aus nächster Nähe verfolgt haben.
Der Ausgangspunkt
Die Geschichte des TT beginnt lange vor dem ersten Fahrzeug vom Band. Denn um ein Auto zu bauen, braucht es schließlich erst einmal ein Werk. 1993 unterzeichnen die AUDI AG und die ungarische Regierung einen Vertrag, der den Beginn der Investitionen in Győr und die Geburt der modernsten Produktionsstätte Ungarns ermöglicht. Schon 1994 eröffnet das Werk – mit der Fertigung von Motoren für Autos aus deutschen Standorten. Doch bei diesen Produkten bleibt es nicht lange. Die Bereitschaft, das Know-how und die Begeisterung der Mitarbeitenden in Győr machen die historische Entscheidung leicht: Audi verlegt die Produktion eines kompletten Modells in die westungarische Stadt. Dieses Modell wird der Audi TT.
Vom Konzept zum Publikumsliebling
Das Ergebnis der bis dahin streng gehüteten Entwicklung wird schließlich auch der breiten Öffentlichkeit vorgestellt: Auf der Frankfurter Automobilausstellung 1995 und später auf der Tokyo Motor Show wird der Audi TT concept dem beeindruckten Fachpublikum und begeisterten Besuchern präsentiert. Die ganze Fachwelt ist überrascht von seinem Design: völlig eigenständig, für Audi erst einmal ungewohnt – und dennoch nicht fremd. Das Ganze in einer beeindruckend kompakten äußeren Gestalt. Manche Fachleute werden sich wohl gefragt haben: „Warum ist uns das nicht selbst eingefallen?“ Und Tausende Kunden fragen einfach, wann sie diesen einzigartigen Sportwagen bestellen können. 1998 beginnt Audi Hungaria die Serienproduktion des Audi TT. Wie das mitteleuropäische Werk ist auch das erste dort produzierte Auto einzigartig. In einer einmaligen Produktionskooperation mit der AUDI AG werden die lackierten Karosserien der TT zunächst aus Ingolstadt mit dem Zug nach Győr transportiert. Dort montieren sie die Teams mit höchster Sorgfalt. Und die Kunden lieben das fertige Auto. Es beginnt ein Run auf das Modell und damit die globale Erfolgsgeschichte des TT. Aus Győr für die Welt!
JÁNOS KALÁNYOS
János hat schon von 1998 bis 2004 als Elektrik-Instandhalter Anteil an der Produktion. 2011 ist er wieder direkt in die Produktion der dritten Generation des TT eingestiegen:
1998 war der TT ein echter Hingucker, etwas fürs Auge, das ,sozialistische Autos´ gewohnt war. Die abgerundeten Formen waren neu und spektakulär, ganz zu schweigen vom technischen Inhalt der Autos. Ich weiß noch, wie sehr alle das erste Auto bewunderten, das wir montierten. Wir waren stolz darauf, dass ein solches Auto in Ungarn hergestellt werden konnte, und jeder sah es als sein eigenes Werk an – ganz gleich, in welcher Phase der Produktion er damit beschäftigt war.“
Romulus und das Bauhaus
Der Name des sagenhaften Gründers der römischen Antike und eine der einflussreichsten Kunstschulen des 20. Jahrhunderts – sie liegen kulturgeschichtlich eigentlich weit auseinander; 2600 Jahre weit … Doch in Bezug auf den Audi TT könnten Romulus und das Bauhaus gemeinsam auf einem Foto in die Kamera schauen (wenn denn eine Kunstrichtung solch menschliche Eigenschaften hätte). Warum das möglich ist? Das liegt an einem Duo der prägenden Designer der Stilikone aus Győr: Freeman Thomas (Bild oben) lässt sich zu Beginn der Kreation des TT maßgeblich von der Bauhaus-Bewegung inspirieren. Diese umfassende Richtung der bildenden Kunst hat sich im frühen 20. Jahrhundert entwickelt, nicht zuletzt unter vielen Einflüssen bedeutender ungarischer Künstler wie Marcell Breuer oder László Moholy-Nagy. Deren Stil komponiert das Design-Team mit Elementen ruhmreicher Vorgänger-Modelle aus der Konzernwelt von DKW und NSU. Sportliche Fahrzeuge, die Triumphe feierten in Wettbewerben wie der Isle of Man Tourist Trophy – kurz: TT; daher auch der Name mit den zwei Buchstaben. Und beim Interieur kommt Romulus ins Spiel, Romulus Rost (Bild Unten), der verantwortliche Designer, schafft ebenfalls einen unverwechselbaren, stilprägenden Auftritt. Romulus und das Bauhaus – dank dieser kongenialen Kooperation kreiert der Style des TT etwas völlig Neues: weit mehr als nur eine veränderte Formensprache von Audi für die frühen 1990er-Jahre. Einen neuen Ansatz für die gesamte Welt der Autoproduktion, besonders aber für die Sportwagenwelt. Ein Stück Kulturgeschichte eben.
Form und Funktion
Warum konnte der TT so erfolgreich werden? Auf diese Frage gibt es natürlich nicht nur eine Antwort. Doch eine Tatsache ist offensichtlich: Das Design von Freeman Thomas trifft bei den Autofans voll ins Schwarze. Und das liegt ganz wesentlich an einem Versprechen dieses kompakten Kunststücks. Ein Versprechen, das jeder Aspekt des Automobils einlöst: Form und Funktion sind eine Einheit. „Wir müssen unser emotionales Image betonen, mit Autos, die junge Leute mit ihrer attraktiven Optik ansprechen und gleichzeitig bezahlbar sind“, sagt es schon Ulrich Hackenberg, damals verantwortlich für die technische Koordination bei Audi. Und Torsten Wenzel, der als Audis Exterieurdesigner die Studie mit in die Serie überführt, betont aus seinem Blickwinkel: „Jede Form des Audi TT hat eine klare Funktion.“
Coupé, Roadster und die anderen – über Generationen hinweg
Der unnachahmliche Erfolgsweg beginnt 1998 mit dem Audi TT Coupé: Sein Erfolg legt den Grundstein für eine jahrzehntelange Weiterentwicklung. So dauert es nicht lange, bis 1999 die Produktion des Roadsters mit Cabrio-Verdeck anläuft. 2006 startet dann die Produktion der zweiten Generation des Audi TT, die bereits von Chefdesigner Walter de Silva gezeichnet wird. Audi Hungaria baut das TT-Modellangebot weiter aus. Und die Kunden fragen verstärkt nach, was auch den Vorstellungen von Audi entgegen kommt: noch leistungsstärkere Versionen dieses einzigartigen Sportwagens: In Coupé und Roadster kommen solche Versionen auf den Markt, wie beispielsweise der TTS und ab 2009 das Topmodell TT RS mit seinem legendären Fünfzylindermotor. Und dieser vielfach ausgezeichnete Antrieb ist ebenfalls „Made in Győr“. 2014 schließlich startet in Ungarn die Produktion der dritten Generation des TT. Im zuvor noch einmal erweiterten Werk bauen die Teams dieses Fahrzeug nun in voller Fertigungstiefe. Bei Kapazität und Technologie ist der Standort ebenso wie die Marke Audi dynamisch gewachsen. Einer der modernsten Produktionsbetriebe global steht nun in Ungarn.
MÓNIKA CSETE SZABÓNÉ
Mónika arbeitet seit der ersten Stunde am Modell TT. Derzeit ist sie in der Qualitätssicherung tätig; ihr Lieblingsmodell? Der TT Roadster:
Ich war eine der ersten Frauen, die in die Produktion kamen. Ich bin dankbar, dass es sich so ergeben hat. Ich habe in der Armaturenbrettmontage angefangen und konnte die Entwicklung des Modells miterleben. Vor 25 Jahren gab es keine Autos wie den TT auf ungarischen Straßen. Daher hatte jeder das Gefühl, an der Produktion von etwas ganz Besonderem beteiligt zu sein. Wenn wir in Zukunft beispielsweise einen Roadster auf der Straße sehen, können wir sagen: Das ist auch unser Werk."
Unglaubliche Zahlen
Der TT ist ein Sportwagen mit begeisternden Werten. Für all die Spitzenwerte bei Kilowatt, Newtonmeter oder Kubikzentimeter ist ein eigenes Buch nötig. Wir liefern andere Bestwerte, die Audi Hungaria stolz machen: Schon vom TT der ersten Generation produziert die Mannschaft in Győr 269.498 Exemplare, von der zweiten Generation weitere 241.276 Stück. Und auch die dritte Serie liefert sportliche Höchstleistungen: Mehr als 145.000 TT fahren in Ungarn vom Band – an Kunden rund um den Globus. Der Kult-Sportwagen ist auf der ganzen Welt ein Hingucker im Straßenbild. Der TT wird nicht nur in Europa geliebt. Auch in den USA oder Japan ist der ganz besondere Sportwagen von Audi sehr begehrt.
Audi TT20 und 25 special edition
Der Audi TT ist immer ein Grund zu feiern – und Jubiläen sind dafür ein besonders passender Anlass. Zum 20-Jährigen etwa präsentiert die Marke eine streng limitierte Jubiläumsedition mit ganz spezieller Ausstattung: Die 999 Exemplare des Audi TT in Nanograu metallic und Pfeilgrau erhalten OLED-Rückleuchten; eine wegweisende Technik, die inzwischen schon zu einem Teil des Markenzeichens geworden ist. Im Innenraum empfangen die Fahrgäste zudem passgenaue S-Sportsitze und eine mokkabraune Lederausstattung mit gelben Kontrastnähten. Und weil 2023 das 30-jährige Werksjubiläum in Győr und das 25-jährige Jubiläum des Audi TT zusammenfallen, ist es noch einmal Zeit für ein gemeinsames Geschenk des Werks an die Fans der Marke und des Kultmodells: Audi feiert dieses historische Doppeljubiläum mit einer TT RS Coupé iconic edition. Die ist noch seltener als sein limitierter Vorgänger: Nur 100 Exemplare des Modells werden hergestellt – natürlich wie immer in seiner Heimat, den Hallen von Audi Hungaria in Győr. Wo sonst?
Audi Hungaria 2.0
Der TT ist und bleibt ein starker Teil der DNA von Audi Hungaria – und die entwickelt sich mit so starker Basis auch dynamisch weiter, wenn die Produktion des Sportwagens endet; ab 2024 beginnt sogar in Ungarn die Fertigung für eine hier ganz neue sportliche Marke: Der CUPRA Terramar läuft in Győr vom Band. Und schon im vergangenen November ist die Serienproduktion einer neuen besonders leistungsstarken Generation von Elektromotoren für die Premium Platform Electric (PPE) gestartet, die die Modellreihe Audi Q6 e-tron antreiben wird. Im gleichen Monat hat Audi Hungaria übrigens bereits den 500.000sten Elektromotor produziert. Als eines der Flaggschiffe des Volkswagen Konzerns blicken wir also nach wie vor nach vorne. Audi Hungaria wird auch die künftige Entwicklung der Automobilindustrie weiter aktiv mitgestalten. Die Gene des Audi TT geben uns Kraft und Zuversicht.
Bye-Bye, TT!
Das Erbe der Stilikone
Fruzsina Zakariás, Markendirektorin von Audi in Ungarn, war von Anfang an ein Fan des TT. Ihrer Meinung nach hat das Modell eine ebenso herausragende Rolle für das Wachstum und den Erfolg des Werks in Győr gespielt wie für die allgemeine Trendentwicklung im Automobilbau. Mit ihr und der Audi-Raddesignerin Tünde Dániel haben wir versucht, den Kultstatus des TT zu ergründen.
AUDI: Nach 25 Jahren ist die Produktion des Audi TT in Győr zu Ende gegangen, das letzte Modell ist vom Band gefahren. Ist das Modell, von dem wir uns verabschieden, wirklich revolutionär, hat es tatsächlich Kultstatus?
Tünde Dániel: Ich persönlich halte den TT für eines der ikonischsten Designs in der Geschichte von Audi – eines, das aus der Audi-Palette herausragt. Der TT gilt als ein Meilenstein, weil er fast sofort nach Markteinführung zur Legende wurde.
Fruzsina Zakariás: Ich denke dasselbe wie Tünde: Der TT ist in der Tat eine Ikone. Allein schon deshalb, weil er in puncto Design und Abmessungen einzigartig war, als er vor 25 Jahren seine Reise antrat. Er war ein Juwel unter allen Audi-Modellen. Denn der TT vereinte all das, was man über die Marke sagen kann: Sportlichkeit, Dynamik, quattro-Allradantrieb und Technik-Orientierung.
AUDI: Was bedeutet das Design des Audi TT für Sie?
Tünde: Der TT ist ein minimalistisches Modell mit einem klaren Design. Die stromlinienförmigen, geschwungenen und abgerundeten Formen folgen den Spuren des Avus-Konzeptautos, mit dem der Designer schon zuvor die erfolgreiche Rennvergangenheit der Marke wieder aufleben ließ.
AUDI: Hat er Sie schon mal bei der Arbeit inspiriert?
Tünde: Ja, ich habe mich sehr von ihm inspirieren lassen, weil er Designmerkmale aufweist, die das Wesen von Audi widerspiegeln. Diese charakteristischen Elemente helfen mir immer, zu den Wurzeln der Marke zurückzukehren.
AUDI: Welche Generation ist für Sie die einflussreichste?
Tünde: Ich würde auf jeden Fall die erste Generation nennen. Denn sie verkörpert die ursprüngliche Botschaft: das heißt, in einem Rennwagen zu sitzen. Das Exterieur und das Innendesign mit seiner fast rohen, genieteten Karosserie entstanden auch in diesem Geist. Sobald man dann im Innenraum sitzt, hat man das Gefühl, von einem echten Cockpit umgeben zu sein.
Fruzsina: Von der zweiten Generation haben wir in Ungarn die meisten Modelle verkauft, nämlich 204, von der ersten und dritten Generation waren es 161 bzw. 143. Aber wie für Tünde ist auch für mich die erste Generation des TT diejenige, die nicht nur Audi, sondern die Geschichte des Sportwagenbaus im Allgemeinen am stärksten geprägt hat. Und obwohl der TT in Ungarn nicht massenhaft verkauft wurde, beweist die Existenz des ungarischen TT-Clubs und seine große Mitgliederzahl, dass der TT zu einem sehr symbolträchtigen Teil der Marke Audi geworden ist.
AUDI: Fruzsina, haben Sie als Markendirektorin eine besondere Erinnerung an den TT?
Fruzsina: Ja, natürlich! Als ich erfuhr, dass die Produktion des TT in diesem Jahr ausläuft, habe ich sofort gesagt, dass wir das letzte Exemplar behalten wollen. Doch das letzte Exemplar eines jeden Modells wird ins Museum nach Ingolstadt gehen. Gut, dachte ich … das letzte Coupé soll ins Museum gehen. Aber der letzte Roadster soll hier bleiben. Doch dann war die Quote für den ungarischen Markt abgelaufen. Wir wollten es nicht dabei belassen und erreichten mit Hilfe von Zoltán Les, Vorstandsmitglied der Audi Hungaria für Fahrzeugproduktion, dass die Quoten noch für fünf Minuten geöffnet wurden und wir den letzten Audi TT Roadster in Windeseile registrieren konnten. Dieses Auto wollen wir übrigens für einen wohltätigen Zweck einsetzen.
AUDI: : Welches Erbe wird der Audi TT hinterlassen?
Fruzsina: Über die Győrer Perspektive hinaus und mit Blick auf die Marke weltweit ist das wichtigste Erbe vielleicht der Audi e-tron GT. Natürlich sind beide Modelle sehr unterschiedlich, aber wenn wir die Entwicklung betrachten, die der wichtigste DNA-Teil der Marke ist, dann können wir sagen, dass es einen würdigen Nachfolger für den TT gibt: in Form eines echten Sportwagens der neuen Generation.
„Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue. 2023 ist dafür der beste Beweis: Unter Schmerzen haben wir uns von der Ikone Audi TT-Modell verabschiedetet – aber gleichzeitig sind bereits die ersten Vorserienmodelle des CUPRA Terramar vom Band gefahren. Wir haben Rekordergebnisse in der Fahrzeugproduktion erzielt. Noch nie wurden in Győr so viele Autos und Karosserieteile für die Spitzenmodelle des Audi Konzerns produziert wie im vergangenen Jahr. Ich bin stolz auf meine Kolleg_innen; danke für ihre tolle Leistung. Seit 25 Jahren bauen wir mit Leidenschaft Autos, die Millionen Kunden auf der ganzen Welt begeistern. Danke, verehrter TT, für dieses Vierteljahrhundert. Und, lieber CUPRA Terramar: Wir können es kaum erwarten, dich der Welt zu zeigen.“
Zoltán Les
Vorstand Produktion Fahrzeuge